Nach dem Frühstück packe ich sehr früh meinen Kram zusammen. Merkwürdig. Wenn es um Fahrradtaschen oder auch den Rucksack geht, bin ich total gut sortiert und konzentriert bei der Arbeit, während ich in meiner Wohnung völlig verpeilt bin. Wahrscheinlich ein seit Jahrzehnten verfestigtes Verhalten, weil die Natur nicht verzeiht, wenn die Regenhose ganz hinten unten liegt. Die ziehe ich allerdings jetzt erst an, denn so ganz überzeugend ist das Wetter nicht.
Die erste 3-4 tägige Radreise nach der langen Zwangspause steht an. Natürlich nicht eine der sorgfältig auf Vorrat geplanten, sondern eine spontan hingerotzte, wo kannst Du denn von S. aus hin? Immer am Kanal lang bis Minden, oder vielleicht weiter bis Bad Oeynhausen. Sollte klappen.
Aus Braunschweig heraus geht es zunächst ein idyllisches Stückchen an der Oker entlang und am Ölper See. Über ein Wehr mit Kanurutsche geht es dann leider auf die B 914 mit Radweg und Baustelle. (Schlampig geplant hab ich ja gesagt.) Dafür bekomme ich aber einen Kaffee und ein Brötchen bei Sanders Backstube in Watenbüttel. Über eine Brücke komme ich an den Kanal und hier passiert das erste Mal das, was mich die ganze Tour über begleiten soll: Komoot sagt scharf links, aber da ist nichts. Alles zugewachsen. Ich werfe einen Blick auf die Karte und finde dann einen bequemen Weg zum Kanal runter. Da stehen drei Arbeiter mit einem großen Wagen mitten im Weg. Ich warte erstmal, ob sie weiterfahren und schlängele mich dann vorbei. Kaum bin ich unterwegs, kommen sie hinter mir her gefahren.
Jetzt müssen sie hinter mir her schleichen, bis ich eine Ausweichstelle finde. Ich lasse sie vorbei und nutzte die Gelegenheit, mit der richtigen Kamera ein paar Fotos zu machen. Die meisten habe ich auch schon wieder gelöscht. Gegenüber ist ein Rasenmäherboot bei der Arbeit. Und das schneller als ich dachte.


Als ich den Wagen nicht mehr sehe, fahre ich weiter und nach einer Weile steht er wieder vor mir. Einer mäht die Wiese, die anderen haben nichts zu tun. Ich schlängele mich wieder vorbei, Da springt mir schon einer in den Weg.
„Ihre Lampe ist möglicherweise falsch eingestellt!!“
Ich beuge mich vor um zu schauen, ob sich da was gelockert hat, nein, sie sitzt bombenfest.
„Nicht mit Gewalt! Sie müssen das vorsichtig mit Werkzeug machen!“ (Oje, ein Erklärbär)
„Die sind nämlich oft zu hoch eingestellt!“ (ahja!) –
„Ich fahre nämlich selbst viel Fahrrad!“ (Klar!) – An dieser Stelle kommt mir der Typ in den Sinn, der der Profi-Golferin Georgia Ball erklären wollte, wie sie den Schläger halten muss.
„Das Rad ist neu und wird regelmäßig gewartet“, wage ich einzuwenden.
„Die sind oft zu hoch eingestellt und blenden! Sie wollen ja den Weg sehen!“ (Ja, genau den Weg und nicht die 20 cm vor meinem Reifen)
„Ich bin gestern hinter meiner Freundin hergefahren, und die Lampe hat ihr Körbchen beleuchtet. Die ist nicht zu hoch eingestellt.“
„Äh, ja, denn…“
Der Mittellandkanal verläuft wirklich immer geradeaus, mitten durchs Land. Manchmal ist klar, warum ich über eine Brücke muss, manchmal nicht. Unklar ist immer, ob der Wirtschaftsweg auf der anderen Seite vielleicht besser ist.
An einem breiten Waldweg vor einer Brücke mache ich den Fehler, einen Spaziergänger mit Hund zu fragen: „Ist das besser hier zu fahren, oder auf der anderen Seite?“ „Auf der anderen Seite!“, sagt er im Brustton der Überzeugung.
Auf der anderen Seite ist der Weg am Kanal gesperrt. Ich entscheide mich für den Waldweg anstelle des Kanals und treffe wieder auf den Mann mit Hund.
„Drüben ist gesperrt“, rufe ich ihm zu. „Wären sie doch besser drüben gefahren!“, ruft er mir hinterher. Klar, drüben ist Bundesstraße.
Ich fahre also ein Stückchen über Land, durch Woltorf, die Rampen zum Kanal runter sind zugewachsen, aber Hannover ist ausgeschildert – aber blöd ausgeschildert, nämlich auf verkehrsreichen Straßen 52km (??) rund um Peine . (Da hätte ich was essen sollen). Ich mache mal kurz den Flugmodus aus und befrage Komoot, wie ich wieder an den Kanal komme.
Hinter Peine sind die Wirtschaftswege auch nur zu erahnen. Ich biege ab nach Schwichelt, weil es dort eine Gaststätte geben soll. Die allerdings hat geschlossen. (Merke! Im größeren Ort pausieren!) In dem Moment piept mich S. an: „Na, wie läuft es?“ „Määh!“.
Komoot jagt mich noch durch ein Industriegebiet und dann endlich bin ich wieder am Kanal. Und der Weg ist breit. Und die Blumen blühen. Und offensichtlich hat mein Stoffwechsel auf Fettverbrennung umgeschaltet. Kein Hunger mehr.



Ich gucke dann mal, wo ich heute übernachte. Komoot zeigt auch Unterkünfte an. Kurzer Anruf: „Ja, kommen sie vorbei!“
Bevor ich vorbeikomme, mache ich noch einen kleinen Abstecher zum Gutshof Rethmar. Biergarten, Veranstaltungsort, Theater, Museum, Burger mit Fritten. Leider gibt es dort keine Zimmer, sonst wäre ich dort geblieben.
Das Apart-Hotel in Sehnde, erweist sich als Business- und Tagungshotel. „Wo kann ich mein Fahrrad lassen?“ „Wir haben dort Fahrradständer.“ Dass man im 21. Jahrhundert im Hotel noch diese Antwort bekommt, finde ich schon befremdlich. „Über Nacht!!“ „Ja, äh, dann suchen Sie sich ein Plätzchen in der Tiefgarage“. Na also, geht doch.
Ich bin ziemlich genau 50 km gefahren und zufrieden. Abends gehe ich noch mal durch den Ort.








Die Sonnenblume cool so ganz alleine.
Hm das mit den Wagen und der Waage ist heute nicht anders beim LKW wiegen.😉
Und Zimmer mit Kochnische genau meins.