„Seid ihr nicht genervt, wenn ihr mit mir üben müsst?“
„Ich habe das Gefühl, ich halte den Betrieb auf.“
Nein, sind wir nicht, nein tust Du nicht. Wir haben alle so angefangen. Wir wechseln ständig die Partner, so dass wir mit vielen unterschiedlichen Menschen üben können. Nur die ganz blutigen Anfänger sollten nach Möglichkeit die ersten Stunden nicht miteinander üben.
Wenn ich mit jemandem übe, der viel weniger Erfahrung hat als ich, muss ich viel mehr reflektieren, was ich da eigentlich mache und wie ich es korrekt mache. Muss mich auch an einen überhaupt nicht perfekten Angriff anpassen. Gleichzeitig muss ich darauf achten, wie mein Partner es besser machen kann. Das ist für mich auch eine gute Übung. Jemand, der viel weiter ist als ich, wird sich mir gegenüber genau so verhalten.
Ich habe in einem anderen Lehrsystem angefangen, bei dem in manchen Vereinen die Gleichrangigen miteinander genau die Aufgaben für Ihre nächste Prüfung geübt haben und nichts anderes. Dadurch kamen sie relativ flott durch die ersten Prüfungen, weil sie rein mechanisch immer dieselben Bewegungsabläufe abgearbeitet haben. Und ich behaupte jetzt mal: Wir wussten nicht was wir taten und warum. Besser war das bestimmt nicht, wenn sich zwei Ahnungslose miteinander abmühten. Tatsächlich ist es mit einem erfahrenen Partner einfacher zu lernen, wie reiten lernen auch mit einem alten, erfahrenen Gaul einfacher ist und ein junges Pferd von einem unerfahrenen Reiter eher verdorben wird.
Also, liebe Anfänger, macht Euch mal keinen Kopp. Das hat schon alles seine Richtigkeit.
Dabei fällt mir ein: Ich habe selbst vor drei Jahren noch gedacht: „Ob der sich nicht unterfordert fühlt, wenn er mit mir übt?“
Aber ist das nicht trotzdem aufreibender mit einem Anfänger zu üben? Wenn ich z.B. auf der Arbeit etwas erklären muss, wird es mir oft selber auch klarer, aber das Erklären selber finde ich anstrengend. Oder wird das bei eurer Kampfkunst (ist das der richtige Ausdruck?) durch den Wechsel der Partner kompensiert? Ist das Weitergeben des Gelernten vielleicht auch irgendwie Bestandteil, es ist ja doch was anderes als ein Training in einer Sportart? Uuahh, ich habe wirklich null Ahnung.
Nicht unbedingt. Zum einen wird das tatsächlich kompensiert durch den ständigen Wechsel. In der nächsten Runde habe ich vielleicht einen 3. Dan vor mir, da bin ich dann die Anfängerin. Beim Aikido kommt ja es auch oft darauf an zu spüren, in welche Richtung der Partner sich von allein bewegt und das zu verstärken. Das kannst Du eigentlich mit jedem machen. Würde ich allerdings nur immer mit den Anfängern üben, käme ich selbst nicht weiter. Mein alter Reitlehrer hat gesagt: „Wenn Du immer nur dein Lieblingspferd reitest, lernst Du genau dieses Pferd reiten aber Du lernst nicht reiten.“ Das finde ich durchaus vergleichbar.
Zwei Ausnahmen gab es im Aikido, die ich als nervenaufreibend empfunden habe. Ein junger Mann in Hamburg war Anfänger UND Autist UND klebte an mir. Das in einer sehr kleinen Gruppe, im Vergleich zu jetzt alle wenig erfahren, in der es oft zu einer Dreiergruppe kam. Dann hatte ich den die ganze Stunde an der Backe. Wenn es hieß: Partner wechseln, habe ich gewechselt und er hat mit gewechselt.
Hier in dem Dojo gab es einen, der in der Rangordnung über mir war, aber auch irgendwie sozial daneben. Manchmal konnte man ganz normal mit ihm üben, manchmal ließ er seine Launen an mir oder Josef aus, indem er uns einfach fest hielt und auflaufen ließ. Und ein paar mal hatte ich auch den Eindruck, dass er einen Atemi (einen angedeuteten Schlag) absichtlich durchgezogen hat oder mir „versehentlich“ gegen den Spann gekickt. Das geht im Aikido gar nicht! Irgendwann war der weg und gut!
Also aufreibend hat im Aikido weniger mit dem Können zu tun, als mit Sozialverträglichkeit.
Und außerdem ist es nicht so, dass wir da alle durcheinander schwatzen würden um anderen etwas zu erklären, sondern der Meister geht rum und nimmt sich jeden mal vor. Ich bin nicht dazu da, Aikido zu unterrichten, sondern muss nur in meinem eigenen Rahmen darauf achten, ob zum Beispiel die Grundstellung richtig ist. Falscher Fuß vorne oder ich gebe schon mal einen Tipp. Aber keine langen Erklärungen.
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