Lockdown 2, Tag 91


Seit geraumer Zeit habe ich die wetterbedingte Aufschieberitis. Nicht unbedingt lockdown- sondern jahreszeitlich bedingt. Aber jetzt gehen einige Vorräte zur Neige. Ich sattele also mein Rad und fahre zum durch den grauen Niesel REWE für einen Großeinkauf und komme mit zwei randvollen Packtaschen zurück. Dabei war ich nicht mal im Dorf.
Ein Paket steht noch hier, zur Apotheke Masken holen sollte ich auch, Brötchen sind auch alle. Aber, was Du heute kannst besorgen kannst Du morgen auch noch machen.
Abends gucke ich tatsächlich 2 Stunden Oper auf arte. Nabucco.
Mein Vater war, im Gegensatz zu mir Opernfan. Und so bin ich mit dem Gefangenenchor (in deutscher Fassung) aufgewachsen. Jedenfalls kannte ich den auswendig. Dann habe ich ihn zu irgendeinem Zweck mal gesucht und gehört und festgestellt: Der Text stimmt nicht, bzw. ist an ein oder zwei Stellen anders als ich den kannte.
Ich kannte: „Grüß die heilige Flut unsres Nihiles, grüß mir Memphis mit seinem Sohonnen-Tehempel“ und die sangen da irgendwas mit Jordan. Hä? Um was geht es da eigentlich?
Der babylonische König Nebukadnezar (Nabucco) besiegt die Juden. Doch die halten seine Tochter Fenena als Geisel der Hohepriester Zaccaria droht sie zu töten.
Ismael rettet Fenena vor dem Tod und wird daraufhin geächtet Zaccaria wird gefangen genommen. Nebukadnezars andere Tochter Abigaile ist eifersüchtig. Dann erfährt sie, dass sie Tochter einer Sklavin ist und schwört allen und jedem Rache. Mittlerweile ist Fenena zum Judentum konvertiert, Nebukadnezar erklärt sich erst zum Gott und wird dann wahnsinnig, Abigaile schwingt sich auf den Thron.
Die Juden sind nun in Sklaverei (hier der Chor) Abigaile veranlasst, die Sklaven und Fenena zu töten. Aber Nebukadnezar, jetzt wieder klar im Kopf, betet zum Gott der Juden um Vergebung und naht als Retter herbei. Das Götzenbild des Baal wird zerstört, Abigaile vergiftet sich, Ende gut, alles gut, na Gottseidank.
Und so erschließt sich auch die Textänderung: Mein Vater war Jahrgang 1931. Wo auch immer er die Platte erstanden hat, es war eine von Juden bereinigte Version.
Übrigens ist das auch ein gutes Beipiel für misheard lyrics. Ich habe als Kind immer Fliehgedanke verstanden. Und meine Eltern haben mich nie korrigiert. Klar, Gefangenenchor, fliehen. Tatsächlich heißt es flieg Gedanke. Es sei denn, sie hätten auch da den Text geändert.
Zur Oper selbst: die Inszenierung ist gigantisch. Die reiten da tatsächlich mit Pferden über die Bühne. Für meine Ohren hat Nabucco zu viel Sopran, der Abigail geschuldet. Der Chor gefällt mir immer noch.

3 Kommentare

  1. Habe die Aufführung (Aufzeichnung von 2017) auch am Sonntag gesehen. Suuuuper! Welche Erinnerung bei MIR hochkam : mein Opa hat oft den Gefangenenchor gepfiffen. Er war traumatisiert vom ersten Weltkrieg und berichtete , dass sie das Stück oft im Schützengraben gesungen hatten. „Teure Heimat, wann sehn wir uns wiehiehieder“…(heul) — Tja, und Jahrzehnte später ließ unser Chorleiter es uns singen als Finale in einer unserer wilden „St. Georger Musiknächte“…

    • Das wurde wohl auch im 2. Weltkrieg auf der Flucht gesungen.
      Bei Abigaille habe ich mich ja gefragt, wie ein normaler Mensch den Mund so weit aufreißen kann. Die war auch sehr überzeugend böse.

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